Die Chroniken von Mirad

Keine Fortsetzung der Neschan-Trilogie, sondern …

Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwey, die sich erlesen,
Daß man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich eins und doppelt bin?

Zehn Jahre sind vergangen. Im Jahr 1995 erschien mit dem Roman Die Träume des Jonathan Jabbok der erste Band der Neschan-Trilogie. Nun - im Juli 2005 - erhält das Universum des Ralf Isau Zuwachs. Die Chroniken von Mirad heißt die neue Trilogie, die auf Mirad spielt, einer Welt, die durch dieselben Mächte erschaffen wurde, welche einst auch Neschan entstehen ließen. Oft werden meine Romane als Fantasy bezeichnet, obwohl sie doch phantastische Literatur sind. Die Chroniken von Mirad hingegen sind Fantasy im besten Sinne des Wortes: Sie berichten von einer altertümlichen Welt, die von zauberhaften wie auch schrecklichen Wesen bewohnt wird und die der unseren in ihrer Ausgestaltung fremd zu sein scheint, obwohl sie ihr manchmal auch ganz nahe ist. Oft wurde ich gefragt, ob ich nicht eine Fortsetzung zur Neschan-Trilogie schreiben möchte, doch deren Ende markiert einen Schlusspunkt, der kaum in Romanform fortzusetzen ist. Höchstens könne man die Vorgeschichte des siebten Richters von Neschan erzählen, antwortete ich daher oft, gewissermaßen ein Silmarillion der Neschan-Trilogie. Genau das sind Die Chroniken von Mirad nicht. Trotzdem wird der aufmerksame Leser einem alten Bekannten begegnen und zudem mehr darüber erfahren, wie einst Neschan, Mirad und andere Welten - von denen vielleicht noch zu berichten sein wird - ins Dasein kamen.

Dei Rossi-Haus
Mirad: Eine neue Welt aus dem »Universum des Ralf Isau«

Am 22. April 2002 begann ich damit, einige erste Ideen für die Chroniken aufzuzeichnen. Zu dieser Zeit beschäftigte mich die Frage, wie ein Mensch oder ein menschliches Wesen damit umgeht, wenn es in seinem Körper gespalten ist. Letztlich entstanden aus diesen Überlegungen zwei völlig unterschiedliche Romane. Der eine ist Die Galerie der Lügen, ein »Erwachsenenroman«, der ebenfalls 2005 erscheint, der zweite ist Das gespiegelte Herz, der erste Band der Mirad-Trilogie. Um es vorwegzunehmen: Keiner meiner Protagonisten ist schizophren. Die Gespaltenheit äußert sich auf ganz andere, hier vielleicht überraschende, dort sogar phantastische Weise. Wie lange diese Phase bei mir noch anhält, wird sich zeigen. Immerhin kennt man ja auch aus anderen Bereichen der Kunst ähnliche verbindende »Orientierungen«. Pablo Picasso etwa hatte eine »blaue« und eine »rosa Periode«. Vielleicht wird man dereinst sagen, Ralf Isau hätte eine »schizophrene« gehabt ;-)

In meinen ganz persönlichen Chroniken von Mirad ist der 17. August 2004 als der Tag verzeichnet, an dem ich mich daranmachte, das recht grobe Exposé zum ersten Teil der Trilogie zu verfeinern. Wenige Tage später begann ich mit dem »Rohmanuskript«, so nenne ich den ersten Text, der den gesamten Roman umfasst, später aber noch mehrmals überarbeitet wird. Das Enstehen des Rohmanuskriptes ist bei mir ein eruptiver Schaffensprozess. Mit zehn Fingern - also ziemlich schnell - wird der Roman in den Computer »gehämmert«. Die sprudelnde Phantasie muss raus, ehe die guten Ideen in Vergessenheit geraten. Am 16.12.2004 erlosch dieser »Vulkan«, der Roman war fertig. Die Verfeinerung erstreckte sich anschließend dann noch über mehrere Monate - bis schießlich die neue Welt Mirad geboren war.

Inhalt der Trilogie

Das gespiegelte Herz

Ergil und Twikus wachsen in der Obhut des Fallenstellers Falgon auf. Ihr Zuhause ist der Große Alte, ein von Menschen gemiedener Wald, ihre Nachbarn sind Elven, Flussgolder und andere Wesen, die man außerhalb des uralten Gandim-zafaroth nur noch aus den Märchen kennt. Obwohl beide Zwillinge mit ihrem Ziehvater in einer Blockhütte wohnen, kennen sie einander nur aus ihren Träumen. Erst als man ihnen - sie sind gerade sechzehn - nach dem Leben trachtet, entdecken sie sich und das Geheimnis ihrer besonderen Natur. Endlich beantwortet ihnen nun auch Falgon ihre drängenden Fragen. Ergil und Twikus, erzählt der alte Waldläufer, seien die Söhne von Großkönig Torlund dem Friedsamen und der Sirilimprinzessin Vania. Beide seien einst von Torlunds Bruder Wikander ermordet worden. Damit begann für Mirad eine Zeit der Dunkelheit, die nicht nur andauert, sondern von Jahr zu Jahr finsterer wird. Wikander bringt immer mehr Königreiche des Sechserbundes unter seine Gewalt und dabei stützt er sich auf eine Macht, die von Jenseits der Welt zu stammen scheint. Er weiß, nur die rechtmäßigen Erben des Thrones von Soodland können ihm die unumschränkte Herrschaft noch streitig machen, denn in ihren Adern fließt das Blut der Sirilim. Es heißt, alles in Mirad sei in dieses alte Volk der Weisen eingefaltet, weshalb sie das Gewebe Welt nach allen Himmelsrichtungen, sowie in die Vergangenheit und in die Zukunft durchdringen können. Schon ein Sirilo wäre eine ernsthafte Bedrohung für Wikander und seine Pläne. Deshalb bläst er zur Jagd auf die Zwillinge. Bevor deren Ausbildung durch den ehemaligen Waffenmeister von Soodland abgeschlossen ist, finden seine Häscher die Thronerben. Die Prinzen müssen den Großen Alten verlassen. Mit Falgons Hilfe nehmen sie den Kampf gegen ihren Oheim auf. Und damit beginnt eine Auseinandersetzung, von deren Ausgang nicht nur der Brüder persönliches Geschick abhängt, sondern das einer ganzen Welt …

Erstausgabe Mirad 1
Das gespiegelte Herz (Mirad 1,
Thienemann-Erstausgabe von 2005)

Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwey, die sich erlesen,
Daß man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich eins und doppelt bin?

Erstausgabe Mirad 1
Das gespiegelte Herz (Mirad 1,
Thienemann-Erstausgabe von 2005)

Das gespiegelte Herz wird von der »Moerser-Jugendbuch-Jury 2005/2006« unter 20 Werken auf Platz vier gewählt.


»Neue Kinder- und Jugendbücher« (Ausgabe 4-2005)
Empfohlen von der Stifung Lesen im Heft Neue Kinder- und Jugendbücher (Ausgabe 5: Herbst 2006, Seite 42)

Der König im König

Ergil und Twikus haben in Soodland der Schreckensherrschaft ihres Onkels Wikander ein Ende gemacht. Sein Unheil bringendes Kristallschwert »Schmerz« ist zerborsten und im Schollenmeer versunken. Nun regieren sie das Reich ihres Vaters. Jeder von beiden ist ein König im König, denn sie sind Sirilimzwillinge: Beide wohnen in einem einzigen Körper. Doch schon in den ersten Monaten nach der Thronbesteigung bahnen sich neue Schwierigkeiten an. Ein unnatürlich strenger Winter hält Soodland im eisigen Griff. Die Menschen hungern und einige murren bereits gegen die jungen Herrscher. Da sehen die Brüder im Traum ein riesenhaftes Schwert aus dem Packeis aufsteigen. Die Vision hat eine Bedeutung: Kaguan, eine unheimliche Kreatur mit Fähigkeiten, die weit über menschliches Vermögen hinausgehen, hat Wikanders schwarze Klinge aus dem Meer geborgen. Ergil und Twikus scharen eine kleine Gemeinschaft Getreuer um sich, um die Verfolgung Kaguans aufzunehmen. Denn die weise Múria sagt, das Kristallschwert dürfe auf keinen Fall neu geschmiedet und wieder mit Macht erfüllt werden. Wenn das gelänge, stünde der Welt Mirad ein Zeitalter der Finsternis bevor. Und so begeben sich Ergil und Twikus an der Spitze der Gemeinschaft des Lichts auf eine abenteuerliche Jagd quer durch das Herzland von Mirad. Der Ausgang ihrer Reise ist durchaus ungewiss. Nur so viel steht fest: Er wird alle Beteiligten verändern.

Der König im König
Der König im König
(Thienemann-Erstausgabe von 2006)

Das Wasser von Silmao

Vignette

Ergil und Twikus haben ihren mächtigen Widersacher Magos bezwungen. Ihre Heimkehr nach Soodland ist ein einziger Triumphzug. Aber das Reich erblüht nicht, wie die Brüder es sich erhofft haben. Es scheint im eisigen Griff eines Fluches zu liegen, der zu Missernten und noch größerem Hunger führt. Ergil ahnt, dass sein Land keine Zukunft hat, wenn er nicht endlich die Rätsel der Vergangenheit löst. Er entsinnt sich der vielen Träume von seiner Mutter Vania, immer hat er sich ihr nahe gefühlt. Ist sie womöglich noch am Leben? Das Blut des Alten Volkes der Sirilim fließt in seinen Adern und so kann er im Geiste Vergangenes wieder lebendig werden und Verborgenes zum Vorschein kommen lassen. In der Zwischenwelt, einem Versteck im Faltenwurf Mirads, in dem die Zeit stillzustehen scheint, findet er den reglosen Körper seiner Mutter. Ihr langsames Sterben ist die wahre Ursache für die unnatürliche Kälte - Mirad wird in Dunkelheit versinken, sobald ihr Herz stehenbleibt. Nur das »Wasser von Silmao« kann Vanias Leben jetzt noch retten. Aber der letzte Rest dieses aus dem Saft des Ginkgo und anderer geheimer Ingredienzen gebraute Lebenselixier wurde im Kampf gegen Magos verbraucht und niemand weiß mehr, wie es herzustellen ist. Für Ergil beginnt damit ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen mächtige Feinde. Während ein riesiges Heer gegen Soodland vorrückt, muss er sich auf eine abenteuerliche Suche begeben, unbeschreibliche Gefahren durchstehen, die Unterstützung fremdartiger Geschöpfe gewinnen und sich sonderbarer Transportmittel bedienen. Die Quest führt ihn kreuz und quer durchs miradische Herzland. Und schließlich sogar darüber hinaus.

Das Wasser von Silmao
Der König im König
(Thienemann-Erstausgabe von 2006)

Der Ginkgo: wundersame Entdeckungen

Ginkgo bilobaWährend der Arbeit an der Mirad-Trilogie habe ich einige Entdeckungen gemacht, die wahrlich wundersam erscheinen. Wer die Geschichte um die Sirilimzwillinge Ergil und Twikus kennt, weiß, dass der Ginkgo darin eine besondere Rolle spielt. Er gilt als der älteste Baum der Erde. Seine zweilappigen Blätter sind ein passendes Symbol für das gespiegelte Herz von Ergil und Twikus, die wie das Ginkgoblatt geeint und zugleich getrennt sind.

An einem Herbsttag des Jahres 2005 fand ich vor meinem Auto auf dem Boden ein Ginkgoblatt. Wir wohnen in einem Landschaftsschutzgebiet. Dort gibt es viele Bäume. Aber ich habe im weiten Umkreis meines Zuhauses nie einen Ginkgo gesehen. Wo also kam das Blatt her? Ist es eine Botschaft aus der Welt meiner Helden zur Ermutigung für den Schriftsteller, der sich darangemacht hat die Chroniken von Mirad in die Sprache der Erdenbewohner zu übertragen? So würde wohl der Dichter antworten. Jedenfalls weiß ich bis heute nicht, woher das Ginkgoblatt stammt, das sich vor meine Füße legte.

Und noch eine zweite Entdeckung machte mich staunen. Der letzte Teil der Trilogie, in der dem Ginkgobaum abermals eine tragende Rolle zukommt, war im Rohtext schon geschrieben und ich unternahm für mein neuestes Projekt Die Stunde der Farbenlauscher eine Recherchereise nach Weimar, als ich dort auf ein Gedicht von Goethe stieß, dessen zwei letzte Verse am Kopf dieser Seite stehen. Es trägt den Namen Ginkgo Biloba (zum vollständigen Gedicht gelangen Sie hier). Wenn der Dichterfürst schreibt »Sind es zwei, die sich erlesen, dass man sie als eines kennt?«, könnte man glauben, er spräche von Ergil und Twikus. Und wenn wir bei Goehte lesen »Fühlst du nicht an meinen Liedern, dass ich eins und doppelt bin?«, dann meint man, bei diesen Liedern handele es sich um die Chroniken von Mirad.

Dies ist nicht das erste Mal, dass mir meine Geschichte von den ungeschriebenen Büchern in der Phantásischen Bibliothek, in denen schöpferische Menschen nach Herzenslust stöbern dürfen, realer erscheint, als man es bei einem so phantastischen Roman wie Die Geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz annehmen sollte.

Sprachen

  • Japanisch

Mirad 1, japanisch
Das gespiegelte Herz
(japanisch, 2006)

Mirad 2, japanisch
Der König im König
(japanisch, 2009)